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Ein „weltoffenes Land“? Deutschlands langer Weg zu einer neuen Politik der Zuwanderung

von Dr. Timur Mukazhanov

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[1.] Tmu/Fragment 030 01 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-03 08:16:34 Guckar
Fragment, Gesichtet, Pagenstecher 1994, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Tmu, Verschleierung

Typus
Verschleierung
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Untersuchte Arbeit:
Seite: 30, Zeilen: 1 ff. (kpl.)
Quelle: Pagenstecher 1994
Seite(n): 19, 20, 21, Zeilen: 19: 19-22, 24-26, 28-30, 34-40 ; 20: 3-8, 13-17 ; 21: 1-5
Dieser Inländerprimat diente der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und berücksichtigte das Interesse der Gewerkschaften an einer bevorzugten Einstellung ihrer Klientel.26 Die Ausländerbeschäftigung sollte zu den gleichen arbeits- und tarifrechtlichen Bedingungen geschehen wie bei Deutschen. Auch darauf hatten die Gewerkschaften gedrängt, um „Lohndrückerei“ zu verhindern. Ein weiteres Element der „Gastarbeit“ war das Rotationsprinzip: Ausländische Arbeitskräfte sollten keine Einwanderer werden.27 Die voneinander abhängigen Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse galten zunächst nur für ein Jahr. Die Arbeitserlaubnis war auf einen Betrieb und sogar auf eine Tätigkeit beschränkt.28 Damit verbunden war schließlich eine permanente Kontrolle der Gastarbeiter durch Arbeitsamt und Ausländerbehörde. Vertragsbrüchige wurden in einer zentralen Kartei registriert und von künftigen Vermittlungen ausgeschlossen. Ihnen drohte dann die Ausweisung.29 Jede politische Tätigkeit wurde scharf überwacht, um eine „kommunistische Infiltration“ zu verhindern.30

Dieses Instrumentarium wurde in den 1950er Jahren weitgehend aus Vorkriegsregelungen rekonstruiert. Seine Entstehungsgeschichte reicht jedoch bis ins Kaiserreich zurück. In Preußen entstand vor dem Hintergrund der antipolnischen Germanisierungspolitik Bismarcks das System der Saisonarbeit.31 Als sich 1885 Bismarcks antipolnische „Reichsfeind“-Argumentation durchsetzen konnte, wurden rund 40.000 polnische Arbeiter ausgewiesen. Mit dem wachsenden ökonomischen Druck musste die „Abwehrpolitik“ nach 1890 aber einem Kompromissmodell zustimmen. Die ausländischen Arbeitskräfte mussten „Legitimationskarten“ der preußischen Feldarbeiter-Zentralstelle besitzen, die auf ein Jahr befristet waren32 und nur für einen Arbeitgeber galten – genauso wie die „Legitimitätskarten“ der Bundesanstalt für Arbeit siebzig Jahre später. Wurden sie „kontraktbrüchig“, drohte ihnen die Ausweisung und der Eintrag in eine Fahndungsliste. Der Zwang für die Auslandspolen, während der winterlichen Sperrfrist zurückzukehren, sollte ebenso wie das Verbot der Familienwanderung eine definitive Niederlassung verhindern. Er diente dazu, „den ausländischen Arbeitern und auch der einheimischen Bevölkerung immer wieder zum Bewusstsein zu bringen, dass sie nur geduldete Fremdlinge seien [und ihre dauerhafte Seßbarmachung ausgeschlossen sei.“33]


26 Vgl. Dohse, Knuth, Ausländische Arbeiter und bürgerlicher Staat, ebenda, S. 200 ff., S. 222;

27 Das Rotationsmodell sah eine beliebige Ersetzbarkeit der ausländischen Beschäftigten, was im übrigen durchaus auch den Interessen der Herkunftsländer entsprach, die ihren Überschuss an ungelernten Arbeitskräften abbauen und zügig durch ein qualifiziertes Potential ersetzen wollten, um so ihre eigene ökonomische Entwicklung vorantreiben zu können. (Vgl. dazu Steinert, Johannes- Dieter, Migration und Politik. Westdeutschland – Europa – Übersee 1945-1961, Osnabrück 1995, S. 305 ff.;) Aber angesichts der schleppenden wirtschaftlichen Entwicklung in den Herkunftsländern gab es dort schließlich nur einen geringen Bedarf an den in Deutschland womöglich erworbenen Kenntnissen der industriellen Fertigung.

28 Auch die ausländischen Arbeitnehmer selbst, die auf Grundlage der Anwerbevereinbarungen nach Deutschland kamen, gingen fast ausnahmslos wie selbstverständlich davon aus, lediglich vorübergehend in Deutschland zu arbeiten, möglichst schnell möglichst viel Geld zu verdienen, um anschließend in der Heimat eine bessere Existenz für sich und ihre Familien aufbauen zu können. Dass die Mehrzahl der ausländischen Arbeitnehmer tatsächlich nur für eine bestimmte Zeit in Deutschland geblieben ist, lässt sich anhand der folgenden Zahlen belegen: Von den etwa 14 Millionen Gastarbeitern, die zwischen 1955 und 1973 in die Bundesrepublik gekommen waren, kehrten 11 Millionen wieder in ihre Heimat zurück. Vgl. Bade, Klaus, Ausländer, Aussiedler, Asyl in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1994;

29 Vgl. Dohse, Knuth, Ausländische Arbeiter und bürgerlicher Staat, a.a.O., S. 262ff.;

30 Vgl. ebenda, S. 278ff.;

31 Vgl. Roller, Kathrin, Frauenmigration und Ausländerpolitik im Deutschen Kaiserreich. Polnische Arbeitsmigranten in Preußen, Berlin, 2. Auflage, 1994;

32 Vgl. Herbert, Ulrich, Geschichte der Ausländerbeschäftigung in Deutschland 1880 bis 1980, a.a.O., S. 116;

Dieser Inländerprimat diente der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und berücksichtigte das gewerkschaftliche Interesse an einer bevorzugten Einstellung ihrer Klientel5.

Wenn AusländerInnen beschäftigt wurden, dann sollte das zu den gleichen arbeits- und tarifrechtlichen Bedingungen geschehen wie bei Deutschen6.

[...]

Auch darauf hatten die Gewerkschaften gedrängt, um ‘Lohndrückerei’ zu verhindern.

Viertes Element der ‘Gastarbeit’ war das Rotationsprinzip:

[...]

Die voneinander abhängigen Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse galten zunächst nur für ein Jahr; die Arbeitserlaubnis war auf einen Betrieb und sogar auf eine Tätigkeit beschränkt7.

[...]

Damit verbunden war schließlich eine permanente Kontrolle der MigrantInnen durch Arbeitsamt und Ausländerbehörde. Vertragsbrüchige wurden in einer zentralen Kartei registriert und von zukünftigen Vermittlungen ausgeschlossen; ihnen drohte dann die Ausweisung8. Jegliche politische Tätigkeit wurde scharf überwacht, um eine ‘kommunistische Infiltration’ zu verhindern9.

Dieses Instrumentarium wurde in den fünfziger Jahren weitgehend aus Vorkriegsregelungen rekonstruiert. Seine Entstehungsgeschichte reicht jedoch bis ins Kaiserreich zurück.

[Seite 20]

Das System der Saisonarbeit entstand in Preußen vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen der ‘Leutenot’ der ostelbischen Großgrundbesitzer und der antipolnischen Germanisierungspolitik Bismarcks.

1885 konnte sich Bismarcks antipolnische ‘Reichsfeind’-Argumentation durchsetzen: Rund 40 000 polnische ArbeiterInnen wurden ausgewiesen11. Mit dem wachsenden ökonomischen Druck mußte die ‘Abwehrpolitik’ nach 1890 aber einem Kompromißmodell zustimmen.

[...]

Die ausländischen Arbeitskräfte mußten ‘Legitimationskarten’ der Preußischen Feldarbeiter- Zentralstelle (später Deutsche Arbeiterzentrale) besitzen, die auf ein Jahr befristet waren13 und nur für einen Arbeitgeber galten – genau wie die ‘Legitimationskarten’ der Bundesanstalt für Arbeit 70 Jahre später. Wurden sie ‘kontraktbrüchig’, drohte ihnen die Ausweisung und der Eintrag in eine Fahndungsliste.

[Seite 21]

Der Zwang für die AuslandspolInnen, während der winterlichen Sperrfrist zurückzukehren, sollte ebenso wie das Verbot der Familienwanderung eine definitive Niederlassung verhindern. Er diente dazu,

„den ausländischen Arbeitern und auch der einheimischen Bevölkerung immer wieder zum Bewußtsein zu bringen, daß sie nur geduldete Fremdlinge seien und ihre dauerhafte Seßbarmachung ausgeschlossen sei“16.


5 Vor allem deutsche, männliche Facharbeiter. Vgl. Dohse 1985, 200ff., 222.

6 Genauer: wie bei vergleichbaren Arbeitskräften; das schließt eine Unterschichtung nicht aus. Zur „Kluft zwischen Theorie und Praxis“: Bischoff/Teubner 1991, 85f.

7 § 4 Nr. 1 der Neunten Verordnung ..., später § 1 I Nr. 1, § 3 I Arbeitserlaubnisverordnung (1971).

8 Interview Mader/von Harassowski. Der Arbeitsvertrag ist eigentlich eine privatrechtliche, keine öffentlich-rechtliche Angelegenheit: Dohse 1985, 262ff.

9 Dohse 1985, 278ff.

16 Preuß. Innenministerium, nach Herbert 1986, 24. Zudem profitierte Deutschland davon, daß das Auswanderungsland die „Aufzuchtkosten" (Syrup) der Arbeitskräfte trug. Herbert 1986, 52.

Anmerkungen

Kein Hinweis auf die Quelle.

Sichter
(SleepyHollow02) Schumann



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