von Thiemo-Marcell Jeck
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[1.] Tj/Fragment 124 01 - Diskussion Zuletzt bearbeitet: 2013-02-03 14:37:06 Hindemith | BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Peters 2001, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Tj |
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Untersuchte Arbeit: Seite: 124, Zeilen: 1-14, 102-106 |
Quelle: Peters 2001 Seite(n): 107, Zeilen: 4-22, 24-25 |
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[Anders sieht dies Peters, die über Gretgen] sagt: „Ihre Figur wird damit in der Forschung konsequent verharmlost und entschärf [sic!].“ 465
Ihre Meinung stützt Peters auf die Tatsache, dass Gretgen in der Szene „In Marthens Garten“ die Initiative übernimmt. Sie gesteht Faust ihre Liebe und spielt das Blumenspiel. Danach läuft sie in das dunkle Gartenhäuschen, in dem sie niemand sehen kann. Als Faust sie dann küsst, fasst sie ihn und erwidert den Kuss. Gretgen stimmt darüber hinaus auch dem nächtlichen Treffen zu, obwohl kein Eheversprechen vorliegt und sie Faust auch nicht in diese Richtung drängt. Sie hat keine moralischen Bedenken, sondern nur Angst davor, von der Mutter überrascht zu werden. Am deutlichsten werden Gretgens sexuelle Wünsche in dem Monolog am Spinnrad 466:
Sich nach ihm hin!467
465 Peters, S. 107. 466 Goethe, Urfaust, S. 429. Diese Passage ist an das Hohelied Salomons angelegt. Goethe schrieb 1775 an Johann Heinrich Merck: „Ich habe das hohe Lied Salomons übersetzt, welches ist die herrlichste Sammlung Liebeslieder, die Gott erschaffen hat.“ (Pinower, insb. S. 182). 467 Goethe, Urfaust, S. 429. |
In Martens Garten übernimmt Gretchen die Initiative, sie gesteht ihm ihre Liebe und spielt das Blumenspiel. Indem sie dabei laut spricht, wiederholt sie die Liebeserklärung. Danach läuft sie in das dunkle Gartenhäuschen, in dem sie niemand sehen kann. Faust reagiert nur auf dieses neckische Verhalten. Als er sie dann küßt, faßt sie ihn und erwidert den Kuß. (Anweisung S. 404) Petriconi nimmt dies nicht zur Kenntnis, er sieht Gretchn als die unschuldige Verführte, die in ihrer Reinheit keine Sexualität besitzt und nur nach Fausts Willen handelt, um ihn glücklich zu sehen.351 Dabei stimmt Evchen dem nächtlichen Treffen zu, obwohl kein Eheversprechen vorliegt und sie Faust auch nicht in diese Richtung drängt. Sie hat keine moralischen Bedenken, sondern denkt nur daran, nicht von der Mutter überrascht zu werden (V. 119). Am deutlichsten werden ihre sexuellen Wünsche in dem Monolog am Spinnrad, der an das Hohelied Salomons angelehnt ist.352
Sich nach ihm hin.“ (V. 1098f.)
Ihre Figur wird damit in der Forschung konsequent verharmlost und entschärft.353 351 Vgl. Hellmuth Petriconi: Die verführte Unschuld. Bemerkungen über ein literarisches Thema, Hamburg 1953, S. 118. 352 Gothe schrieb 1775 an Johann Heinrich Merck: „Ich habe das hohe Lied Salomons übersetzt, welches ist die herrlichste Sammlung Liebeslieder, die Gott erschaffen hat.“ Otte Pniower: Goethes Faust und das hohe Lied. In: Goethe-Jahrbuch, Bd. 13 (1982), S. 181-198, insb. S. 182 353 Zu Gretches Sexualität vgl. Peter Heller: Gretchen: Figur, Klischee, Symbol. In: Wolfgang Paulsen (Hg.): Die Frau als Heldin und Autorin. Neue kritische Aufsätze zur deutschen Literatur, Bern 1979, S. 175-189, insb. S. 177. |
Zwar ist Peters erkennbar teils wörtlich zitiert, teils paraphrasiert, jedoch sind die Anlehnungen/Übernahmen nicht in vollem Umfang kenntlich gemacht. Aufgrund der unklaren Trennung, ob der Verfasser oder die Quelle spricht, entsteht der Eindruck einer Auseinandersetzung/Diskussion statt einer Widergabe. Zu Beginn des Abschnitts wird eine wörtliche Übernahme ordnungsgemäß als solche gekennzeichnet. Längere wörtliche Übernahmen weiter unten bleiben jedoch ohne entsprechende Kennzeichnung. Aus "Evchen" wird "Gretchen" bzw. "Gretgen". |
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[2.] Tj/Fragment 124 27 - Diskussion Zuletzt bearbeitet: 2013-02-03 14:40:08 Hindemith | Fragment, Gesichtet, Peters 2001, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Tj, Verschleierung |
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Untersuchte Arbeit: Seite: 124, Zeilen: 27-31, 101-102 |
Quelle: Peters 2001 Seite(n): 107, Zeilen: 27-33, 110-112 |
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[...]468
Gretgen lässt sich verführen und ist gleichwohl als tugendhaft und unschuldig zu verstehen. Unterstützt wird diese These im „Urfaust“ durch Gretgens Selbstcharakterisierung und Fausts Idealisierung. Sie stellt sich durch ihren Fleiß und ihre liebevolle Fürsorge um das kleine Schwesterlein als die ideale Mutter dar. Der durch [diese Figur idealisierter Weiblichkeit verübte Kindsmord ist damit als Tat tiefster Verzweiflung zu verstehen.] 468 Reuchlein, Bürgerliche Gesellschaft, S. 146. Gretgens und Fausts Verlangen entspringt der wahren Liebe. Dies wird in der Gegenüberstellung der beiden Paare Gretchen/Faust und Marthen/Mephisto deutlich. Während das eine die wahre Liebe symbolisiert, steht das andere für die Doppelmoral der bürgerlichen Gesellschaft. |
Gretchen „läßt sich bereitwillig verführen und ist gleichwohl als tugendhaft und ‚unschuldig‘ zu verstehen.“354
Unterstützt wird diese These im „Urfaust“ durch Gretchens Selbstcharakterisierung und Fausts Idealisierung seiner Geliebten. Sie stellt sich durch ihren Fleiß und ihre liebevolle Fürsorge um das kleine Schwesterchen als die ideale Mutter dar. Der durch diese Figur idealisierter Weiblichkeit verübte Kindsmord ist damit als Tat tiefster Verzweiflung zu verstehen. 354 Georg Reuchlein: Bürgerliche Gesellschaft, Psychiatrie und Literatur. Zur Entwicklung der Wahnsinnsthematik in der deutschen Literatur des späten 18. Und frühen 19. Jahrhunderts, München 1986, S. 145. |
Fortsetzung auf der Folgeseite. Zwar wird Peters weiter oben auf der Seite erwähnt und paraphrasiert. Der vorliegende Textabschnitt ist jedoch ohne zusätzliche Angaben nicht der Quelle zuzuordnen, zumal davor ein Zitat von Reuchlein Verwedung findet. Auch diese Quelle wird in beiden Werken im Zusammenhang referenziert. Die bei Peters in Anführungszeichen stehende Übernahme aus Reuchlein ist bei T. J. nicht als wörtliches Zitat ausgewiesen. |
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