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Untersuchte Arbeit: Seite: 155, Zeilen: 5-28, 101-107 |
Quelle: Schmidt-Steinhauser 1994 Seite(n): 79-80, Zeilen: 79: 7-23, 107-113; 80: ??? |
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Mitchell bestreitet grundsätzlich die traditionelle Ansicht von der Parlamentssouveränität. Er bezweifelt, ob sie überhaupt existiere.906 Dabei richtet er sein besonderes Augenmerk - von einem EG-rechtlichen Ansatz her kommend - auf die Frage der Übertragung von Hoheitsrechten. In der Verfassungsgeschichte des Vereinigten Königreichs gebe es mehrere Fälle, in denen die Abgabe von Legislativgewalt möglich gewesen und anerkannt worden sei. So stelle die Unionsvereinbarung von 1707 ein „Grundgesetz“ dar mit dem Effekt, die Kompetenzen des Westminster Parlaments, und damit seine Souveräntiät zu reduzieren.907 Eine ähnliche Übergabe von Legislativgewalt können [sic] man auch auf die Europäischen Gemeinschaften annehmen. Selbst Dicey habe eingeräumt908, dass das Parlament seine Macht auf ein anderes Organ übertragen könne, wodurch ein weiterer Gesetzgeber geschaffen werde:
„... An autocrat, such as the Russian Czar, can undoubtly abdicate ... If the Czar can abdicate, so can Parliament ... A sovereign may again transfer sovereign authority to another person or body of persons.”909 Daraus folgert Mitchell, dass Dicey nicht eine Souveränitätsübertragung i.S. eines parlamentarischen Souveränitätsverzichts für unvereinbar mit seiner Doktrin halte, sondern lediglich eine Beschränkgung [sic!] i.S. einer „Rechtsversteinerung“.910 Mitchell argumentiert weiter, dass die Vorstellung von der Parlamentssouveränität in ihrer ganzen Strenge im 19. Jahrhundert im Zuge weiterer Demokratisierungsprozesse entwickelt worden sei und im Zeitalter einer Übertragung von Hoheitsrechten auf internationale Organisationen und Institutionen nicht mehr notwending [sic!] Bestand haben müsse. Selbst Vertreter der traditionellen Lehre stimmen dem wohl zu. So äußerte sich der Lordkanzler 1967 in seiner Rede zum Weißbuch: 906 Vgl. a.a.O. (FN 903). 907 Mitchell, C.M.L.R. 1967/68, 119 (zit. nach Schmidt-Steinhauser, 79, FN 62) spielt dabei auch auf die Independence Acts an. 908 Vgl. Jennings, Constitution, 68 ff. 909 Vgl. Jennings, Constitution, 69; Winterton, L.Q.R. 1976, 591 (600 ff.). 910 Ebenso Petersmann, Souveränität, 279 (zit. nach Schmidt-Steinhauser, 80, FN 65); Rix-Mackenthun, 119; vgl. auch die Interpretation von Wade, C.L.J. 1955, 172 (194). |
Darüber hinaus wird die traditionelle Ansicht der 'Sovereignty of Parliament' auch grundsätzlich bestritten. So bezweifelt Mitchell, ob die Doktrin der `Sovereignty of Parliament' überhaupt existiere.61 Dabei konzentriert er sich, von seinem gemeinschaftsrechtlichen Ansatz her kommend, besonders auf die Frage der Übertragung von Hoheitsrechten. In der Verfassungsgeschichte des VK gebe es mehrere Fälle, in denen die Übergabe von Legislativgewalt möglich gewesen und anerkannt worden sei. So stelle der Act of Union zwischen England und Schottland von 1707 ein "Grundgesetz" dar mit dem Effekt, die Kompetenzen des britischen Parlaments, und damit seine Souveränität zu reduzieren.62 Eine ähnliche Übergabe von Legislativgewalt könne man für die Gemeinschaften annehmen.
Selbst Dicey habe eingeräumt,63 daß das Parlament seine Macht an ein anderes Organ abgeben könne, wodurch ein weiterer Gesetzgeber geschaffen werde:64
Daraus schließt Mitchell, daß Dicey nicht eine Souveränitätsübertragung i.S. eines parlamentarischen Souveränitätsverzichts für unvereinbar mit seiner Doktrin hal- [Seite 80] te, sondern lediglich eine Beschränkung i.S. einer "Rechtsversteinerung".65 Mitchell begründet seine Bedenken auch damit, daß die Vorstellung der 'Sovereignty of Parliament' im vergangenen Jahrhundert situationsbezogen entwickelt worden sei und damit heute nicht mehr notwendig Bestand haben müsse. Auch Vertreter der traditionellen Lehre sehen dies wohl ein. So sagte der Lord-Chancellor 1967 in der Rede zum Weißbuch: 61 MITCHELL, Lb, 74 ff.; DERS., CMLRev 1967/68, 112 (116 u. 119 f.); und DERS., CDE 1970, 251 ff.; evtl. auch noch seinen letzten Aufsatz; ähnlich ablehnend auch FAWCETT, Issue, 198 ff.; MITCHELL, Cambrian LR 1980, 69 ff. 62 Im Auge hat er hier außerdem die Independence Acts, MITCHELL, CMLRev 1967/68, 112 (119). 63 JENNINGS, 68 f. 64 Ebenda, 69; vgl. dazu auch WINTERTON, LQR 1976, 591 (600 ff.). 65 Ebenso PETERSMANN, Souveränität, 279; RIX-MACKENTHUN, 119; vgl. dazu die Interpretation von WADE, CLJ 1955, 172 (194). |
Schmidt-Steinhauser wird mehrmals genannt. Es aber wird nicht deutlich, dass der komplette Abschnitt, Satz für Satz und wortlautnah, der Vorlage von Schmidt-Steinhauser folgt. Für das wörtliche Dicey-Zitat bei Fn 64 gibt Schmidt-Steinhauser die Fundstelle der Primär-Quelle nicht an, sondern verweist auf Schriften von Jennings und Winterton. Bei Jennings findet es sich dort jedoch nicht. Auch Winterton bringt dieses Zitat nicht, verweist aber für ein anderes Zitat auf das Verfassungslehrbuch von Dicey, das auch diese Zeilen enthält. Allerdings sind sie nicht korrekt wiedergegeben. Im ersten Satz lautet es richtig „undoubtedly“ anstatt fehlerhaft „undoubtly“.- Ganz genauso ist es auch bei Rm: Original-Fundstelle nicht genannt, unzutreffender Verweis auf Jennings und Winterton, Fehler im Wortlaut. Fortsetzung in Rm/Fragment 156 01. |
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