von Margarita Mathiopoulos
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Untersuchte Arbeit: Seite: 146, Zeilen: 1-2 |
Quelle: Schröder 1982 Seite(n): 183, Zeilen: 11-12, 14-21, 24 |
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[Daß ein Mann wie Thomas Paine, der in Amerika dem äußersten linken Flügel zugeordnet war und wegen seines demokratischen Radikalismus von den amerikanischen Whigs überwiegend abgelehnt wurde, der in seinen 1791 veröffentlichten „Rights of Men" die Französische Revolution noch dafür gelobt hatte, daß sie unblutiger verlaufen sei als die Amerikanische, später selbst fast ein Opfer der „Terreur" geworden wäre aufgrund] seines artikulierten Abscheus gegen die Todesstrafe, spricht für den Extremismus und das ideologisch-doktrinäre Ausufern der Französischen Revolution.[FN 343]
[FN 343: Zur Rolle T. Paines in der Französischen Revolution siehe: David Freeman Hawke: Paine, New York 1974.] |
Ein Indiz dafür, wie gemäßigt die Amerikanische Revolution war [...], ist die Tatsache, daß Thomas Paine, der in Amerika auf dem äußersten ,linken' Flügel stand und wegen seines demokratischen Radikalismus von den führenden amerikanischen Whigs ganz überwiegend abgelehnt worden war, sich während der Französischen Revolution mit den Girondisten verband und fast ein Opfer der „Terreur" geworden wäre. Paine, der in seinen 1791 veröffentlichten „Rights of Men" die Französische Revolution noch dafür gelobt hatte, daß sie unblutiger verlaufen sei als die Amerikanische, war von einem tiefen Abscheu gegen jedes Blutvergießen erfüllt. Von mehreren französischen Wahlkreisen in den Konvent gewählt, nahm er bezeichnenderweise in der Debatte über das Schicksal Ludwigs XVI. im Januar 1793 gegen die Todesstrafe Stellung [...] |
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Untersuchte Arbeit: Seite: 146, Zeilen: 5-10 |
Quelle: Schröder 1982 Seite(n): 184, Zeilen: 5-12 |
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Erstens bestand im Gegensatz zu Frankreich in den USA eine personelle, man könnte sagen, eine ideologische Kontinuität: Fast zwei Drittel der Senatoren und die Hälfte der Mitglieder des Repräsentantenhauses im Ersten Kongreß unter der Unionsverfassung hatten auch schon im Kontinentalkongreß gesessen. Die Amerikanische Revolution hat „ihre Kinder nicht gefressen".[FN 344]
[FN 344: Vgl. J. James Henderson: Party Politics in the Continental Congress, New York 1974, S. 434.] |
Der erstaunlich reibungs- und bruchlose Verlauf der Amerikanischen Revolution kommt in der personellen Kontinuität anschaulich zum Ausdruck. Fast zwei Drittel der Senatoren und die Hälfte der Mitglieder des Repräsentantenhauses im Ersten Kongreß unter der Unionsverfassung hatten schon irgendwann einmal im Kontinentalkongreß gesessen. Die Amerikanische Revolution, stellt ein Historiker zu Recht fest, hat „ihre Kinder nicht gefressen".[FN 476]
[FN 476: Henderson, S. 434.] |
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Untersuchte Arbeit: Seite: 146, Zeilen: 10-17 |
Quelle: Schröder 1982 Seite(n): 184, Zeilen: 16-22, 28-30 |
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Zweitens war das revolutionäre Regime in Amerika nach außen hin niemals so isoliert und diskreditiert wie später z.B. die Revolutionsregime Frankreichs oder Rußlands. Vielmehr war es England, das im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg militärisch und politisch isoliert wurde, während die USA von Frankreich wie Spanien von Anfang an finanzielle Hilfe erhielten. Besonders die französische Unterstützung hatte in Amerika eine wichtige Rolle gespielt und zur Verhinderung einer militärischen Krise, wie derjenigen, die den Umschwung der Französischen Revolution in die Terrorherrschaft erleichterte, beigetragen.[FN 345]
[FN 345: Vgl. H.-Ch. Schröder: Die Amerikanische Revolution, a.a.O., S. 184.] |
Zum einen die Tatsache, daß das revolutionäre Regime in Amerika nach außen hin niemals so isoliert und diskreditiert dastand wie etwa später die Revolutionsregime in Frankreich oder Rußland. Vielmehr war es England, das im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg militärisch und außenpolitisch in die Isolierung gedrängt wurde, während die Vereinigten Staaten von
Frankreich und Spanien von Anfang an finanzielle Unterstützung erhielten und diese Länder dann bald in den Krieg eintraten. [...] Besonders die französische Hilfe spielte in Amerika eine große Rolle und hat dort jene äußerste militärische Krise verhindert, die in der Französischen Revolution später zur Terrorherrschaft beitrug. |
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Untersuchte Arbeit: Seite: 146, Zeilen: 18-27 |
Quelle: Schröder 1982 Seite(n): 184-185, Zeilen: S.184,34-36.40-42 - S.185,1-3.8-9.14-17 |
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Drittens ging von dem Krieg gegen England eine homogenisierende Wirkung auf das revolutionäre Lager in Amerika aus. Benjamin Franklins berühmter Satz: „We must all hang together or we shall all hang separately" machte dies auf humorvolle Art deutlich. Die gemäßigten Revolutionäre konnten, auch wenn sie von vielen Erscheinungsformen der Revolution abgeschreckt wurden, nachdem die Bande zum Mutterland einmal zerschnitten waren, nicht mehr zurück. In Frankreich dagegen verließen z.B. die Offiziere nach dem gescheiterten Fluchtversuch des Königs 1791 das Land. Verrat, konterrevolutionäre Intrigen und extreme Radikalisierung, Charakteristika der Französischen Revolution, fehlten fast gänzlich in Amerika.[FN 346]
[FN 346: Vgl. Jacques Godechot: The Counter-Revolution, London 1972, S. 143; M. Kammen: A Season of Youth: The American Revolution and the Historical Imagination, New York 1978, S. 133 f.] |
Der zweite hier noch zu nennende Faktor ist die von der Frontstellung und dem Krieg gegen England ausgehende homogenisierende Wirkung auf das revolutionäre Lager in Amerika. [...] Der Benjamin Franklin zugeschriebene Satz: „We must all hang together or we shall all hang separately", macht dies in zugespitzter Form deutlich. Die „Gemäßigten" konnten - obwohl von vielen Erscheinungen im revolutionären Amerika beunruhigt -, nachdem das Tischtuch zu England nun einmal zerschnitten war, keinen Rückhalt an den alten Gewalten suchen. [...] In Frankreich verließen die Offiziere nach dem gescheiterten Fluchtversuch des Königs im Jahre 1791 scharenweise das Land. [...] [FN 478] [...] [FN 479] [...] Das gegenseitige Sichemporschaukeln von Verrat, konterrevolutionärer Intrige und revolutionärem Radikalisierungsprozeß, das die Französische Revolution charakterisiert, fehlte in Amerika so gut wie völlig.
[FN 478: Jacques Godechot, The Counter-Revolution, London 1972, S. 143.] [FN 479: Dazu sehr anschaulich Michael Kammen, Season of Youth, bes. S. 133f.] |
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Untersuchte Arbeit: Seite: 146, Zeilen: 28-44 |
Quelle: Schröder 1982 Seite(n): 185-186, Zeilen: S.185,30-34.36-39 + S.186,3-12.13-20 |
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Viertens schließlich dokumentierte sich die Andersartigkeit der Amerikanischen Revolution in einem sehr wichtigen Punkt: in der Einschätzung der menschlichen Natur. Zwar betrachteten auch die Amerikaner die Tugend als notwendige Voraussetzung einer republikanischen Staatsform, doch schlug diese Erkenntnis nicht um in eine rigorose Erzwingung der Tugend; dagegen führte die Tugendobsession der Franzosen dazu, virtus mit Gewalt durchzusetzen.[FN 347] In den USA wurde pragmatisch und realistisch einerseits das Tugenderfordernis auf eine elitäre Minderheit der geeigneten Wächter des öffentlichen Wohls reduziert und andererseits die Enttäuschung über das Fehlen an virtue produktiv in eine verfassungstheoretische Innovation umgesetzt. Anstelle des Strebens nach moralischer oder staatsbürgerlicher Perfektion trat das Streben nach institutioneller Perfektion. Die institutionellen Sicherungen bestanden vor allem in dem von John Adams in dem „Frame of Government" von Massachusetts eingebauten System der checks and balances sowie in der mit der Bundesverfassung erfolgten Beschränkung der unmittelbaren Durchsetzungskraft von Mehrheiten in den einzelnen Staaten und in dem Ausbalancieren von verschiedenen Interessengruppen.
[FN 347: Vgl. Richard Cobb: Reactions to the French Revolution, London 1972, S. 216.] |
Die Andersartigkeit der Amerikanischen Revolution zeigt sich selbst noch in dem einen Punkt, wo sie die wohl stärkste Gemeinsamkeit mit der Französischen Revolution aufweist: dem Tugendproblem. Auch die amerikanischen Revolutionäre betrachteten ja die Tugend als notwendige Voraussetzung einer Republik. [...] Diese Erkenntnis schlug jedoch nicht um in den Entschluß zu einer Erzwingung der Tugend; die Tugendobsession führte nicht wie in Frankreich zu dem Versuch, „virtue" mit Terror durchzusetzen. [...] In Amerika setzte sich statt dessen eine andere Reaktion durch. Das Tugenderfordernis wurde einerseits im elitären Sinne reduziert, auf eine kleine Minderheit der „geeigneten Wächter des öffentlichen Wohls"[FN 481] bezogen und beschränkt, andererseits aber vor allem durch institutionelle Sicherungen ersetzt. Die Enttäuschung über den Mangel an „virtue" wurde in eine verfassungstheoretische Innovation produktiv umgesetzt. An die Stelle des Strebens nach moralischer oder staatsbürgerlicher Perfektion trat, wie bereits im Zusammenhang mit der Modernisierungsproblematik angedeutet, das Streben nach institutioneller Perfektion als Heilmittel. [...] Diese institutionellen Sicherungen bestanden in dem bereits in den späten einzelstaatlichen Verfassungen erkennbaren, vor allem von John Adams in den „Frame of Government" von Massachusetts eingebauten System der „checks and balances" sowie in der mit der Bundesverfassung erfolgten Beschränkung der unmittelbaren Durchsetzungskraft von Mehrheiten in den Einzelstaaten und dem Ausbalancieren von Interessengruppen durch räumliche Ausdehnung der Republik.
[FN 481: Hamilton, Jay, Madison, Federalist, S. 46.] |
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Untersuchte Arbeit: Seite: 146, Zeilen: 44-47 |
Quelle: Schröder 1982 Seite(n): 186, Zeilen: 27-33 |
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Der Entwurf neuer Verfassungsmechanismen und das Durchsetzen einer neuen Bundesverfassung als vernünftige Maßnahme gegen Selbstsucht und Selbstgerechtigkeit belegte gerade jene einzigartige Verbindung in der amerikanischen politischen Theorie der späten Revolutionszeit und der postrevolutionä[ren Phase: die Kopplung einer pessimistischen Einschätzung der menschlichen Natur nach antikem Muster mit einem optimistischen Glauben in institutionelle Einrichtungen.[...][FN 348]]
[FN 348: Vgl. Gordon S. Wood: The Creation of the American Republic, Chapel Hill, N.C., 1969, S. 428f.; Peter Gay: The Enlightenment, Bd. 2 (The Science of Freedom), New York 1969, S. 563.] |
Das Entwerfen neuer Verfassungsmechanismen und das Durchsetzen einer neuen Bundesverfassung als Mittel gegen Selbstsucht, Unvernunft und Unstetigkeit belegt jene eigentümliche Verbindung in der amerikanischen politischen Theorie der späten Revolutionszeit und der nachrevolutionären Periode, auf die Peter Gay aufmerksam gemacht hat: die Kopplung einer pessimistischen Einschätzung der menschlichen Natur mit einem „optimistischen Vertrauen in institutionelle Vorrichtungen".[FN 483]
[FN 483: Peter Gay, The Enlightenment, Bd. II, The Science of Freedom, New York 1969, S. 563.] |
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