von Margarita Mathiopoulos
Statistik und Sichtungsnachweis dieser Seite findet sich am Artikelende
|
|
Untersuchte Arbeit: Seite: 86, Zeilen: 1-10 |
Quelle: Bracher 1964 Seite(n): 328-329, Zeilen: S.328,22-28.34-37 - S.329,1-9.10-11 |
---|---|
Diesen Prozeß der Säkularisierung des puritanischen Sendungsbewußtseins zur demokratischen Ideologie setzte dann Roger Williams, der bedeutende liberale Calvinist, politische Geistliche und Kritiker des theokratischen Autoritarismus, fort. Er wurde aufgrund seines demokratischen, toleranten und anti-autoritären Gedankenguts aus Massachusetts ausgewiesen und floh nach Rhode Island, wo er ein Gemeinwesen gründete, das er charakteristischerweise „Providence" nannte. Hier etablierte Williams ein liberal-christliches „Think Tank", ein „laboratory for a democratic future" (Clinton Rossiter), in dem Prinzipien wie Toleranz und Demokratie, Gleichheit und Freiheit, Individualismus und Pragmatismus zum frühamerikanischen Selbst- und Fortschrittsbewußtsein verschmolzen.[FN 53]
[FN 53: Siehe hierzu C. Rossiter: Seedtime of the Republic, a.a.O., S. 185; P. Miller: Roger Williams: His Contribution to the American Tradition, Indianapolis/New York 1953.] |
Im politischen Denken anderer Repräsentanten des frühesten Amerika vollzieht sich jedoch schon der volle Durchbruch zur Säkularisierung des neu-englischen Sendungsgedankens und zur demokratischen Ideologie noch vor der Wende zum 18. Jahrhundert. Die bedeutendste Gestalt dieses Prozesses ist Roger Williams (1603-1683), der große Rebell gegen die puritanische Theokratie [...]. Williams [...] wurde fünf Jahre später wegen seiner Kritik an dem theokratischen Absolutismus aus Massachusetts ausgewiesen. Nach strapaziöser Flucht ließ er sich mit anderen Häretikern im benachbarten Rhode Island an einem Ort nieder, den er beziehungsreich »Providence« nannte. Fast ein halbes Jahrhundert wirkte er in diesem kleinen, doch so bedeutsamen »Laboratorium für die demokratische Zukunft«[FN 22] [...]
Als rastloser Siedler, Politiker und Geistlicher zugleich verband Williams hier die Grundkräfte frühamerikanischen Selbstbewußtseins zu einer demokratischen Philosophie der Gleichheit und der Freiheit gegenüber Intoleranz und Autokratie. Es war eine Philosophie der nüchternen Erfahrung und Praxis, aber auch sie enthielt [...] die Glaubens- und Uberzeugungskraft des sendungsbewußten Kalvinisten. [FN 22: Rossiter, Seedtime, a. a. O., S. 185.] |
Trotz einiger Eingriffe in den Text (z.B. der fast schon unvermeidliche eingefügte Hinweis auf ein vermeintliches "Fortschrittsbewußtsein") ist die Herkunft aus dem Original unverkennbar. |
|
|
|
Untersuchte Arbeit: Seite: 86, Zeilen: 10-14 |
Quelle: Guggisberg 1979a Seite(n): 19, Zeilen: 30-35 |
---|---|
Wenngleich
die weitgehend demokratisch selbstverwaltete Kolonie Rhode Island zum ersten Gemeinwesen Amerikas wurde, in dem das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat („no bishop, no king") und damit die uneingeschränkte Glaubensfreiheit zur Verwirklichung gelangte,[...] |
So entstand die Kolonie Rhode Island, die sich ebenfalls weitgehende Selbstverwaltungsrechte sichern konnte und zum ersten Gemeinwesen Amerikas wurde, in dem das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat und damit die uneingeschränkte Glaubensfreiheit zur Verwirklichung gelangte. |
Das am Ende des Abschnitts in einer Fußnote erwähnte Gespräch der Autorin scheint einzig und allein zur Einfügung der Floskel "no bishop, no king" geführt zu haben. Schade eigentlich. |
|
|
|
Untersuchte Arbeit: Seite: 86, Zeilen: 14-22 |
Quelle: Bracher 1964 Seite(n): 329, Zeilen: 7-8, 26-30 |
---|---|
[...], wenngleich sich die Williamsche Philosophie der nüchternen Erfahrung und täglichen Praxis des Zusammenlebens gegenüber der puritanisch-traditionalistischen Theokratie durchsetzte, so blieben doch parallel der Gedanke des Auserwähltseins, des Sendungsglaubens und der Vorsehung, die Überzeugung einer untrennbaren Verbindung von politischem und religiösem Denken, die Idee der Volkssouveränität und eines auf freier Zustimmung basierenden Regierungssystems als Wille, Befehl und Ordnung Gottes, in dem 1644 veröffentlichten Pamphlet „The Bloody Tenent" von Williams unangefochten erhalten.[FN 54]
[FN 54: Viele Anregungen zum amerikanischen Prinzip der Trennung von Kirche und Staat verdanke ich dem Gespräch, das ich mit Professor Don K. Price am 16. Mai 1984 an der J. F. Kennedy School der Harvard Univ. führen konnte. Siehe hier auch K. Krakau, op. cit., S. 36 u. 37.] |
Es war eine Philosophie der nüchternen Erfahrung und Praxis, aber auch sie enthielt zugleich trotz aller Rebellion gegen puritanische und traditionalistische Orthodoxie die Glaubens- und Überzeugungskraft des sendungsbewußten Kalvinisten, der sich von God's providence erwählt und bestimmt weiß.[...]
In allen Fällen aber auch hier die untrennbare Verbindung von politischem und religiösem Denken. Das in Volkssouveränität und freier Zustimmung wurzelnde Regierungssystem ist Befehl und Ordnung Gottes, »an Ordinance of God«. In einer 1644 veröffentlichen Schrift (»The Bloody Tenent«) leitet Williams von diesem Willen Gottes die Axiome ab, [...] |
In der Fußnote, die diesen Abschnitt abschließt, wird auf KEINE der hier benutzten Quellen verwiesen. Dafür findet sich aber der Hinweis auf ein "Gespräch, das ich mit Professor Don K. Price am 16. Mai 1984 an der J. F. Kennedy School der Harvard Univ. führen konnte.", welches offensichtlich keinen Eingang in den Text gefunden hat. Hier liegt also ein besonderes Maß der Verschleierung vor. |
|
|
|
Untersuchte Arbeit: Seite: 86, Zeilen: 23-28 |
Quelle: Bracher 1964 Seite(n): 329, Zeilen: 12-18 |
---|---|
Das liberal-puritanische Providence in Rhode Island, dem auch John Locke seine Bewunderung zollte, verkörperte par excellence den optimistischen Zukunftsglauben der experimentierfreudigen Amerikaner und bereitete gleichzeitig den Boden für die Säkularisierung des neuenglischen Sendungsbewußtseins und den Siegeszug des humanistisch-fortschrittsgläubigen Deismus wie demokratischen Rationalismus im 18. Jahrhundert vor.[FN 55]
[FN 55: Über Lockes Einfluß auf Williams, den man gelegentlich auch Lockes Vorläufer nannte, siehe James Ernst: Roger Williams, New York 1932, S. 205 ff.; R. B. Perry: Amerikanische Ideale, a.a.O., S. 233: „... wenn Locke der Vater der modernen Demokratie war, so war er nicht weniger ein Nachkomme Calvins. Durch direkte und indirekte Einflüsse - sowohl orthodoxer wie liberaler Art - wurde Locke ... ein Träger des Calvinismus von der Reformation bis zu den Revolutionen von 1688 und 1776". Siehe ferner: K. D. Bracher, op. cit., S. 329.] |
Hier, in Williams' Rhode Island, eben in Providence, tritt die Verbindung der beiden Elemente amerikanischen Zukunftsglaubens so deutlich wie nirgends zutage; im Säkularisationsprozeß des folgenden Jahrhunderts und im Siegeszug des humanistisch-fortschrittsgläubigen Deismus wird diese Begründung des demokratischen Glaubens dann neu aufgenommen und fortgeführt. |
- |
|
|
|
Untersuchte Arbeit: Seite: 86, Zeilen: 28-34 |
Quelle: Bracher 1964 Seite(n): 326, Zeilen: 6-13 |
---|---|
Aber wesentlich für die Entwicklung des demokratischen Gedankens in Amerika blieb seine Verflechtung mit der religiösen Sendungsidee - „religion is an important, perhaps an indispensable clue to what America is like" (William Lee Miller) -, durch die der amerikanische Begriff der Demokratie jenen universalen Missions- und Fortschrittscharakter erhielt, der deutlich von den Formen des europäischen Demokratiebegriffs abwich.[FN 56]
[FN 56: Vgl. K. D. Bracher, op. cit., S. 326; E. L. Tuveson: Redeemer Nation, a.a.O.; A. Schlesinger: Experiment or Destiny?, a.a.O.] |
Denn in der Tat waren die Grundaxiome des demokratischen Gedankens zu diesem Zeitpunkt schon lange ausgebildet und auch in Amerika verkündet worden. Aber erst durch die Verbindung mit der religiösen Sendungsidee hat er jenen eigentümlich lebensumfassenden und weltverpflichtenden Missionscharakter empfangen, der den amerikanischen Begriff der Demokratie so deutlich von älteren Formen des europäischen Demokratiebegriffs abhebt. |
Das eingeschobene Originalzitat wird später noch mal präsentiert, vgl. Mm/Fragment 174 25-29. Die FN 56 verschleiert die Autorschaft Bachers. |
|
Eine finale Sichtung dieser Seite erfolgte noch nicht!
Letzte Bearbeitung dieser Seite: durch Benutzer:Kybot, Zeitstempel: 20121229144223