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Untersuchte Arbeit: Seite: 130, Zeilen: 1-29 |
Quelle: Levine 1984 Seite(n): 21-22, Zeilen: S.21, re.Spalte 13-63 - S.22, li.Spalte 1-10.101-104 |
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[Diese Auflösung der traditionellen Unterscheidung zwischen Historie und Literatur wurde von Schriftstel]lern registriert. Schon in den 60er Jahren hatten Autoren wie John Barth („The Sot-Weed Factor"), Thomas Berger („Little Big Man") und William Styron („Confessions of Nat Turner") begonnen, amerikanische Geschichte in ihren Romanen schöpferisch neu zu gestalten. Noch näher zur Gegenwart hin richtet sich das wiedererwachte Interesse an der Geschichte mehrfach auf politische Themen, z.B. E. L. Doctorows „Ragtime", Gore Vidals „Burr" oder John A. Williams „Captain Blackman".[FN 290] 1978 erklärte Doctorow in einem Interview, warum die amerikanischen Romanciers sich der Geschichte als eines Themas ihrer Arbeit annehmen würden:
„Nun, zunächst einmal ist Geschichte, wie sie von Historikern geschrieben wird, klar unzureichend. Dabei sind die Historiker die ersten, die Skepsis hinsichtlich der ,Objektivität' ihrer Disziplin äußern. Eine Menge Leute entdeckten nach dem Zweiten Weltkrieg und in den fünfziger Jahren, daß vieles von dem, was die jüngere Generation als Geschichte betrachtete, tatsächlich in hohem Maße interpretierte Geschichte war. Und gerade als wir durch die Anleitung und die Weisheit von Zeitschriften wie ,Time' über die Manipulation der Russen hinsichtlich ihrer eigenen Geschichte lachen konnten - worin sie sich technologische Fortschritte gutschrieben, die eindeutig in anderen Ländern erzielt worden waren, und worin Führer, denen die Gunst entzogen worden war, plötzlich aus ihrer Geschichte herausgefallen waren - , gerade um diese Zeit in etwa begannen wir, uns über unsere eigenen Geschichtstexte und unsere eigenen Schulbücher Gedanken zu machen. Und dabei stellte sich heraus, daß nicht allein einzelne Menschen, sondern ganze Völker aus unseren Geschichtstexten herausgefallen waren - die Schwarzen, die Chinesen, die Indianer. Gleichzeitig bietet ein Land von dieser Größe so wenig an Zusammengehörigkeits- und Identifikationsmustern, auf die wir uns alle beziehen und durch die wir uns gegenseitig erkennen können. Da stellt sich heraus, daß die Geschichte, so unzureichend und schlecht sie auch aufbereitet sein mag, eines der wenigen Dinge ist, die uns hier gemeinsam sind.... Für alle von uns wird das Lesen über das, was uns vor fünfzig oder hundert Jahren passierte, ein Akt von Gemeinschaft. Und die Person, die das, was sich vor fünfzig oder hundert Jahren abspielte, darstellt, hat die Chance, Dinge über unsere heutige Situation zu sagen. Diese Möglichkeit ist eine Entdeckung der Schriftsteller."[FN 291] [FN 290: Vgl. P. Levine, op. cit.] [FN 291: P. Levine: The Writer as Independent Witness: An Interview with E. L. Doctorow, in: R. Trenner (ed.): E. L. Doctorow: Essays and Conversations, Princeton, N. J., 1983, S. 58-59. Siehe hierzu auch: Dominick LaCapra: History and Criticism, Ithaca, N.Y., 1985.] |
Diese Auflösung der traditionellen Unterscheidung zwischen Historie und Literatur blieb von den Schriftstellern nicht unbeachtet. Schon in den sechziger Jahren begannen Autoren wie John Barth, thomas Berger und William Styron amerikanische Geschichte in Romanen wie The Sot-Weed Factor, Little Big Man und Confessions of Nat Turner schöpferisch neu zu gestalten. Noch näher zur Gegenwart hin richtete sich das wiedererwachte Interesse an der Geschichte ausdrücklicher auf politische Themen, z.B. E. L. Doctorows Ragtime, Gore Vidals Burr oder John A. Williams Captain Blackman. In einem 1978 aufgenommenen Interview erklärte Doctorow, warum die Romanciers sich wieder einmal der Geschichte als eines Themas ihrer Arbeit zuwandten:
„Nun, zunächst einmal ist Geschichte, wie sie von Historikern geschrieben wird, klar unzureichend. Dabei sind die Historiker die ersten, die Skepsis hinsichtlich der ,Objektivität' ihrer Disziplin äußern. Eine Menge Leute entdeckten nach dem Zweiten Weltkrieg und in den fünfziger Jahren, daß vieles von dem, was die jüngere Generation als Geschichte betrachtete, tatsächlich in hohem Maße interpretierte Geschichte war. Und gerade als wir durch die Anleitung und die Weisheit von Zeitschriften wie ,Time' über die Manipulation der Russen hinsichtlich ihrer eigenen Geschichte lachen konnten - worin sie sich technologische Fortschritte gutschrieben, die eindeutig in anderen Ländern erzielt worden waren, und worin Führer, denen die Gunst entzogen worden war, plötzlich aus ihrer Geschichte herausgefallen waren - , gerade um diese Zeit in etwa begannen wir, uns über unsere eigenen Geschichtstexte und unsere eigenen Schulbücher Gedanken zu machen. Und dabei stellte sich heraus, daß nicht allein einzelne Menschen, sondern ganze Völker aus unseren Geschichtstexten herausgefallen waren - die Schwarzen, die Chinesen, die Indianer. Gleichzeitig bietet ein Land von dieser Größe so wenig an Zusammengehörigkeits- und Identifikationsmustern, auf die wir uns alle beziehen und durch die wir uns gegenseitig erkennen können. Da stellt sich heraus, daß die Geschichte, so unzureichend und schlecht sie auch aufbereitet sein mag, eines der wenigen Dinge ist, die uns hier gemeinsam sind.... Für alle von uns wird das Lesen über das, was uns vor fünfzig oder hundert Jahren passierte, ein Akt von Gemeinschaft. Und die Person, die das, was sich vor fünfzig oder hundert Jahren abspielte, darstellt, hat die Chance, Dinge über unsere heutige Situation zu sagen. Diese Möglichkeit ist eine Entdeckung der Schriftsteller."[FN 15] [FN 15: P. Levine, ,The Writer as Independent Witness: An Interview with E. L. Doctorow', in: R. Trenner (Ed.): E. L. Doctorow: Essays and Conversations, Princeton (N. J.) 1983, S. 58-59.] |
In den Amerikastudien Bd. 36 (1991) bereits mit aufgelistet. |
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