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Untersuchte Arbeit: Seite: 16, Zeilen: 6-39 |
Quelle: Dederichs 1999 Seite(n): 13, 14, 15, Zeilen: 13: 16 f.; 14: 14 ff.; 15: 6 ff. |
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Die Ideale der Leistungsgesellschaft verlieren zunehmend an Aussagekraft, denn jetzt sind es vor allem die Beziehungen, die für einen Großteil der Menschen das Überleben in der Leistungsgesellschaft sichern. In der hoch individualisierten Gesellschaft werden an die Mitglieder komplexe Leistungsanforderungen gestellt, die durch eine unüberschaubare Menge von Extraqualifikationen definiert werden und denen ein Großteil der Mitglieder kaum noch entspricht. Viele der Gesellschaftsmitglieder haben das Gefühl, dass ihre Fähigkeiten herabgesetzt und entwertet werden und sehnen sich nach sozialer Unterstützung (vgl. Sennett 1988).
Diese Seite der Vergesellschaftung führt bei verschiedenen Gesellschaftsgruppen zu einem Ruf nach scheinbar längst überholten Sozialformen. Die individuelle Sehnsucht nach gemeinschaftlicher Verbundenheit resultiert aus der Wahrnehmung einer verloren geglaubten Gemeinschaft, welche verbunden wird mit sozialer Nähe, Solidarität und Ganzheitlichkeit. Demgegenüber steht die moderne Gesellschaft mit ihrer Rationalität, menschlichen Kälte und Technisierung. Das Bedürfnis nach Gemeinschaft artikuliert sich in neuen Formen der Verbundenheit, wie z.B. Bürgerinitiativen, verstärkten Nachbarschaftsbeziehungen usw., die Unterstützungsleistungen und Nähe bereitstellen. Das Prinzip der Rationalisierung wird in Krisenzeiten der Moderne in Frage gestellt und die „verklärte Gemeinschaft“ wird wieder aufgriffen. Aber entsprechen diese neuen Formen der „gemeinschaftlichen Verbundenheit“ überhaupt dem traditionellen Modell der Gemeinschaft, wie es Ferdinand Tönnies beschrieben hat? Sind sie durch einen Wesenswillen [sic] gekennzeichnet, einer [sic] gemeinschaftlich ganzheitlich zustimmenden Bereitschaft des Einzelnen? Im Unterschied zur Gemeinschaft [sic] wie Tönnies (vgl. Tönnies [1887] 1991) sie meinte, entsteht die Suche nach Verbundenheit in der Moderne nicht aufgrund eines Kollektivismus, sondern aus ganz individuellen Motiven heraus. Dabei geht es vor allem um den eigenen Nutzen, den man sich aus der Verbundenheit erhofft. Dafür schließen sich die Individuen zu Interessen geleiteten Netzwerken zusammen, um so für jedes Netzwerkmitglied den maximalen Nutzen zu erzielen (vgl. Focus 27/1995). Diese Entwicklungen werden jedoch von dem Psychologen Horst-Eberhard Richter nicht als individuelle Selbstverwirklichung angesehen, sondern vielmehr als „oberflächlicher Egozentrismus“ (Richter 1995: 56). |
[Seite 13]
Die Ideale der Leistungsgesellschaft kommen zunehmend in Verruf und werden als krisenfördernd entlarvt. [...] [Seite 14] Die »richtigen« Beziehungen sind für viele Menschen eine »Überlebensstrategie« in der Leistungsgesellschaft. Diese zeigt sich nicht nur als eine hochindividualisierte Gesellschaft, in der die Ideologie vom Menschen als seines »Glückes Schmied« normative Geltung beansprucht, sondern stellt darüber hinaus komplexe Ansprüche an ihre Mitglieder, die durch eine undurchschaubare Menge extrafunktionaler Qualifikationen definiert sind. Diesem leistungsgesellschaftlichen Profil scheinen immer weniger Menschen zu entsprechen, fühlen sich doch immer mehr Mitglieder der Gesellschaft depriviert und verlangen nach sozialer Unterstützung. Die Entdeckung von negativen Seiten der Vergesellschaftung bewirkte bei unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen eine Restauration scheinbar längst vergangener Sozialformen. [...] Indem Gemeinschaft und die mit ihr verbundenen Aspekte der Nähe, Solidarität, Loyalität, Emotionalität und Ganzheit verloren geglaubt werden, kann Gesellschaft als kalt, rational und technizistisch abqualifiziert werden. Dadurch entsteht eine individuell empfundene Sehnsucht nach Verbundenheit, die in neuen Vergemeinschaftungen ihren Ausdruck findet. Diese neuen Bündnisse fungieren als partikularistische Korrektive der Leistungsgesellschaft und stellen Unterstützungsleistungen bereit. Sie können als Vereine aller Art auftreten: als (Geschäfts-) Freundschaften, Nachbarschaften und Bürgerinitiativen. [...] Besonders auffällig ist das Wieder-Erstarken religiöser Gemeinschaften wie Sekten und okkulter Zirkel; diese sind geradezu signifikanter Ausdruck eines in Frage gestellten Rationalitätssystems. Anders formuliert: Auf Gemeinschaft wird in Krisenzeiten der Moderne als eine „verklärte Residualkategorie“ (Rehberg 1993) zurückgegriffen, die es zu schützen gilt. [Seite 15] Gerade beim Aufkommen der sogenannten neuen sozialen Bewegungen stellt sich die Frage, ob diese neuen Vergemeinschaftungsformen überhaupt dem traditionalen Modell der Gemeinschaftlichkeit folgen, nämlich ob sie, nach Ferdinand Tönnies, durch Wesenwillen - die gemeinschaftliche Ganzheit bejahende Bereitschaft des einzelnen -, kollektivistische Orientierung und emotionale Loyalität konstituiert sind. Denn die moderne Suche nach Verbundenheit entsteht aus zutiefst individuellen Motiven (psychische und soziale Vereinsamung, Nützlichkeit) und nicht aus kollektivistischer Tradierung. Die auf Solidarität ausgerichteten, frei gewählten Gruppenzugehörigkeiten haben vor allem den Zweck, den maximalen Nutzen für jedes einzelne Gruppenmitglied zu erzielen. Die Gruppenloyalität basiert auf den Einzelinteressen der Mitglieder, die sich netzwerkartig zu Interessengruppen verflechten, ein Prozeß, der mit „Cocooning und „Burrowing bereits schlagkräftige „labels“ gefunden hat (vgl. Focus 27/1995). [...] Der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter (1995, S. 56) diagnostiziert diese Entwicklung nicht „[...] im Sinne einer vertieften individuellen Selbstverwirklichung, sondern eines oberflächlichen Egozentrismus“. |
Kein Hinweis auf die eigentliche Quelle (die in der Arbeit einmal - auf Seite 198 - referenziert wird). Trotz eines beträchtlichen Aufwands bei der Umformulierung (inkl. kleineren Umstellungen) des übernommenen Inhalts wird im Vergleich deutlich, welche Quelle hier als Schreibvorlage diente. Als eigene Zutat können lediglich die beiden unspezifisch genannten Literaturtitel Sennett und Tönnies gelten. Die erkennbar mitübernommenenen Referenzen Focus 27/1995 und Richter 1995 werden in der Arbeit lediglich an dieser Stelle genannt. Focus 27/1995 hätte (wissenschaftlichen Zitiergepflogenheiten folgend) sowohl im Quellenverzeichnis als auch bei der Referenzierung im Text dem Verfasser Walter Dreher zugeschrieben werden müssen. Das ist auch in der Quelle vergessen worden. |
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