von Dr. Frank-Walter Steinmeier
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[1.] Fws/Fragment 185 01 - Diskussion Zuletzt bearbeitet: 2013-11-02 12:11:28 Klgn | BauernOpfer, Fragment, Fws, Gesichtet, Preuß 1979, SMWFragment, Schutzlevel sysop |
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Untersuchte Arbeit: Seite: 185, Zeilen: 1-26 |
Quelle: Preuß 1979 Seite(n): 150, 151, Zeilen: 150: 23ff; 151: 1ff |
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Diese neue Dimension des Grundrechts ist an die Adresse des Gesetzgebers gerichtet, weil sie das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung als eines reinen Funktionsmodus substantialisiert, indem der Gesetzgeber seinerseits an Normen, nämlich Werte, gebunden sein soll.283
Der Gesetzgeber aber normiert Sozialverhältnisse, und wenn er eine Sphäre privater Lebensgestaltung gewährleisten muß, so besagt dies, daß er die Sozialverhältnisse so zu regulieren hat, daß individuelle Freiheit darin möglich ist. Freiheit als wertentscheidende Grundsatznorm bedeutet danach etwas anderes als in der Dimension des subjektiven Abwehrrechts: Im ersten Fall bedeutet sie gleichsam Freiheit als Institut, als ein Komplex von sozialgestaltenden und -regulierenden Normen, als Sozialverhältnis, im anderen Fall ist es die bloße Abwesenheit gesetzwidrigen Zwanges durch die öffentliche Gewalt.284 In diesen unterschiedlichen Freiheitsbegriffen resümiert Preuß, wird der systematische Zusammenhang zwischen subjektivem Recht und wertentscheidender Grundsatznorm deutlich: wo Freiheit als Sozialform konzipiert ist, läßt sie sich nicht als negatorische Abwehr von gesetzwidrigem Zwang fassen, sondern muß die soziale Dimension in ihren Begriff einbeziehen; dies geschieht aber nicht durch die Abkehr von dem abstrakten, außerhalb jeglicher sozialer Beziehung bestehenden Begriff einer universellen Handlungsfreiheit, sondern dadurch, daß individuelle Freiheit zur sozialen Ordnungsmacht wird, in dem [sic] zumindest ein "Kern" subjektiven Beliebens determinierender Faktor der Sozialverhältnisse sein muß, in denen sich das Individuum befindet.285 Die Wertentscheidung bezeichnet die soziale Dimension individueller Freiheit, ohne daß diese Sozialverhältnisse selbst in diesem Begriff in Erscheinung treten. Die universelle Handlungsmacht wird zwar auf ein unverzichtbares Minimum reduziert, weil nicht alle Individuen gleichermaßen ein Maximum an Freiheit in Anspruch nehmen können, aber dieser "Kernbestand an Freiheit [dirigiert alle Sozialverhältnisse und organisiert sie damit nach den Kriterien individuellen Eigenhabens, für die alle sozialen Verbindlichkeiten begrifflich als Freiheitsbeschränkungen erscheinen müssen".286] 283 Preuß, U. K., Die Internalisierung des Subjekts. Zur Kritik der Funktionsweise des subjektiven Rechts, Frankfurt a. M. 1979, S. 150. 284 Ebenda. 285 Ebenda. 286 Preuß, U. K., Die Internalisierung des Subjekts. Zur Kritik der Funktionsweise des subjektiven Rechts, Frankfurt a. M. 1979, S. 150 f.; schärfer noch in der Kritik am sog. Elfes-Urteil (BVerfGE 6, 32) bei Ridder, H., Vom Wendekreis der Grundrechte, Leviathan 1977, S. 467 ff.: "[...]" (S. 499). |
Diese Dimension des Grundrechts ist an die Adresse des Gesetzgebers gerichtet, weil sie das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung als eines reinen Funktionsmodus substantialisiert, indem der Gesetzgeber seinerseits an Normen, nämlich Werte, gebunden sein soll.
Der Gesetzgeber aber normiert Sozialverhältnisse, und wenn er eine Sphäre privater Lebensgestaltung gewährleisten muß, so besagt dies, daß er Sozialverhältnisse so zu regulieren hat, daß individuelle Freiheit darin möglich ist. Freiheit als wertentscheidende Grundsatznorm bedeutet danach etwas anderes als in der Dimension des subjektiven Abwehrrechts: im ersten Fall bedeutet sie gleichsam Freiheit als Institut, als ein Komplex von sozialgestaltenden und -regulierenden Normen, als Sozialverhältnis, im anderen Falle ist es die bloße Abwesenheit gesetzwidrigen Zwanges durch die öffentliche Gewalt.67 In diesen unterschiedlichen Frei- [Seite 151] heitsbegriffen wird der systematische Zusammenhang zwischen subjektivem Recht und wertentscheidender Grundsatznorm deutlich: wo Freiheit als Sozialform konzipiert ist, läßt sie sich nicht als negatorische Abwehr von gesetzwidrigem Zwang fassen, sondern muß die soziale Dimension in ihren Begriff einbeziehen; dies geschieht aber nicht durch die Abkehr von dem abstrakten, außerhalb jeglicher sozialer Beziehung bestehenden Begriff einer universellen Handlungsfreiheit, sondern dadurch, daß individuelle Freiheit zur sozialen Ordnungsmacht wird, indem zumindest ein »Kern« subjektiven Beliebens determinierender Faktor der Sozialverhältnisse sein muß, in denen sich das Individuum befindet. Die Wertentscheidung bezeichnet die soziale Dimension individueller Freiheit, ohne daß diese Sozialverhältnisse selbst in diesem Begriff in Erscheinung treten. Die universelle Handlungsmacht wird zwar auf ein unverzichtbares Minimum reduziert, weil nicht alle Individuen gleichermaßen ein Maximum an Freiheit in Anspruch nehmen können, aber dieser Kernbestand an Freiheit dirigiert alle Sozialverhältnisse und organisiert sie damit nach den Kriterien individuellen Eigenhabens, für die alle sozialen Verbindlichkeiten begrifflich als Freiheitsbeschränkungen erscheinen müssen.
67 Vgl. auch E. Grabitz: Freiheit und Verfassungsrecht, S. 2 10 f. |
Eine ganzseitige, überwiegend wörtliche Übernahme, die vier Verweise in den Fußnoten auf die Quelle enthält. Bemerkenswert: ein einziger Satzteil vor Fußnote 286 steht in Anführungszeichen und ist damit als Zitat aus der Quelle ausgewiesen. Das lange wörtliche Zitat aus Ridder (1977) in FN 286 wurde der Übersichtlichkeit halber nicht dokumentiert. |
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