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Bürger ohne Obdach. Zwischen Pflicht zur Unterkunft und Recht auf Wohnraum

von Dr. Frank-Walter Steinmeier

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[1.] Fws/Fragment 152 01 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-11 07:37:07 Klgn
Achterberg 1973, BauernOpfer, Fragment, Fws, Gesichtet, SMWFragment, Schutzlevel sysop

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
Hindemith
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 152, Zeilen: 1-11, 14-17
Quelle: Achterberg 1973
Seite(n): 33, 34, Zeilen: 33: 11ff: 34: 1ff
[Wie es in der demokratischen Gesellschaftsordnung außerhalb des Parlaments keine monopolisierte oder auch nur oligopolisierte,] majoritätsdeterminierte Definitionskompetenz für das Gemeinwohl gibt, so gibt es auch keine für die öffentlichen [sic] Ordnung.163 In einem Gemeinwesen [sic] das unterschiedlichen Interessen und Wertvorstellungen Raum zur Durchsetzung geben muß, wo aber die Gesellschaft überwiegend noch nicht zur - zumindest die Chancengleichheit aller ihrer Kräftefelder voraussetzenden - Selbstregulierung 164 in der Lage ist, ist das Parlament das kompetente Organ, um das Gemeinwohl und ebenso die öffentlichen [sic] Ordnung zu artikulieren, wobei es zwar unterschiedliche Vorstellungen berücksichtigen soll, sich aber nicht in ihrer Integration zu erschöpfen braucht.165 Hieraus ergibt sich zugleich, daß sich die Forderung, die Elemente der öffentlichen Ordnung in Rechtsnormen zu kleiden, allein im Parlament an den richtigen Adressaten wendet.

ee) Die Unvereinbarkeit von verfaßter Demokratie und Selbstlegitimation der Verwaltung

Nach alledem ergibt sich aus den Funktionsvoraussetzungen einer demokratischen Gesellschaft die Unhaltbarkeit der These, die öffentlichen [sic] Ordnung werde durch Wertvorstellungen oder durch außerrechtliche Normen der Sittlichkeit konstituiert. Sollen solche zum Schutzobjekt polizeilichen Handelns werden, so ist ihre vor[herige Transformation in Rechtsnormen unerläßlich.]


163 Der weitere, aus dem Aspekt des "Minderheitenschutzes" entwickelte Einwand bei Denninger, E., Polizei in der freiheitlichen Demokratie, Frankfurt a. M./ Berlin, 1968, S. 31 ("Die rechtsstaatliche gebotene Achtung der Meinungen auch der Minderheit verbietet es, öffentliche Ordnung einfachhin auf Seiten der Mehrheit zu suchen"), wenn schon nicht das Volk oder seine Repräsentanz zu derselben Sachentscheidung kommt, so entspricht es nach demokratischer Vorstellung dem Willen des gesamten Volkes jedenfalls eher, wenn derjenige der Mehrheit und nicht derjenige einer Minderheit zur Grundlage einer Entscheidung gemacht wird. Doch ergibt sich gerade hieraus, daß gegen die Mehrheit ausübbare Minderheitenrechte sich nur auf Verfahrens-, nicht aber auf Sachfragen beziehen können, wie dies im Parlamentsrecht auch der Fall ist. Daraus aber folgt weiterhin, daß der Minderheitenschutz im Bereich der öffentlichen Ordnung nicht nur durch das Opportunitätsprinzip abgefangen wird, sondern, daß er zur Lösung der Problematik ebenso irrelevant ist, wie sein Korrelat, das Mehrheitsprinzip (Achterberg, N., "Öffentliche Ordnung" im pluralistischen Staat, Festschrift für Scupin, Berlin 1973, S. 34).

164 Interessante neue Perspektiven zu diesem Stichwort hat T. Schmid jüngst in dem von ihm herausgegebenen Sammelband "Entstaatlichung", Berlin 1988, zusammengetragen, dessen eigener Beitrag (S. 117 ff., 124 ff.) in demselben Maße Anleihe am literarischen Werk Hannah Arendts nimmt wie die bereits zitierte Studie von Rödel, U./Frankenberg, G. /Dubiel, H., Die demokratische Frage, Frankfurt a. M. 1989, S. 60, zur Idee der Selbstregierung der Civil Society in der amerikanischen Verfassungstradition.

165 Was hier zu einer demokratietheoretisch aufgeklärten Funktionsbestimmung des Parlaments ausgeführt wird, gilt im übrigen für die staatliche Tätigkeit insgesamt, vgl. dazu die in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik zu Unrecht in die Randständigkeit gedrängte demokratische Staatslehre von Hermann Heller, in: ders., Staatslehre, 6. Aufl. Tübingen 1983, S. 259 ff., 269 ff.

Wie es in der pluralistischen Gesellschaftsordnung keine monopolisierte oder auch nur oligopolisierte, majoritätsdeterminierte Definitionskompetenz für das Gemeinwohl gibt, so gibt es auch keine solche für die öffentliche Ordnung. [...] In einem Staat, der unterschiedlichen Interessen und Wertvorstellungen Raum gibt, damit aber die Gesellschaft noch nicht der — zumindest die Chancengleichheit aller ihrer Kräftefelder voraussetzenden — Selbstregulierung75 ausliefert, ist das Parlament — und hier treffen Pluralismustheorie und Repräsentationstheorie aufeinander — das kompetente Organ, um das Gemeinwohl und ebenso die öffentliche Ordnung zu artikulieren, wobei es zwar unterschiedliche Vorstellungen berücksichtigen soll, sich aber nicht in ihrer Integration zu erschöpfen braucht76. Hieraus ergibt sich zugleich,

[Seite 34]

daß sich die Forderung, die Elemente der öffentlichen Ordnung in Rechtsnormen zu kleiden, im Parlament an den richtigen Adressaten wendet.

[...] Der Hinweis auf sie ist vielmehr wenig ergiebig; denn wenn schon nicht das ganze Volk oder seine Repräsentanz zu derselben Sachentscheidung kommt, so entspricht es dem Willen des gesamten Volkes jedenfalls eher, wenn derjenige der Mehrheit und nicht derjenige einer Minderheit zur Grundlage einer Entscheidung gemacht wird78. Doch ergibt sich gerade hieraus, daß gegen die Mehrheit ausübbare Minderheitenrechte sich nur auf Verfahrens-, nicht aber auf Sachfragen beziehen können, wie dies im Parlamentsrecht auch der Fall ist. Daraus aber folgt weiterhin, daß der Minderheitenschutz im Bereich der öffentlichen Ordnung nicht nur durch das Opportunitätsprinzip abgefangen werden kann — woran die Befürworter eines solchen immerhin auch noch hätten denken können —, sondern daß er zur Lösung der Problematik ebenso irrelevant ist wie sein Korrelat, das Mehrheitsprinzip.

Nach allem ergeben auch die Bedingungen des pluralistischen Staates die Unhaltbarkeit der These, die öffentliche Ordnung werde durch Wertvorstellungen oder durch außerrechtliche Normen der Sittlichkeit konstituiert. Sollen solche zum Schutzobjekt polizeilichen Handelns werden, so ist ihre vorherige Transformation in Rechtsnormen unerläßlich, und eine solche vermag allein das Parlament vorzunehmen.


75 Hierzu Herzog, Allgemeine Staatslehre, Frankfurt/M. 1971, S. 54 ff.; Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., Stuttgart 1966, § 29, S. 504 ff., § 32 II 1, S. 629 ff.

76 Skeptisch gegenüber der Integrationsfähigkeit des Parlaments — einer Frage, die hier nicht vertieft werden kann — Herzog, in: Evangelisches Staatslexikon, Sp. 1545 f. A. M. z. B. Loewenstein, a.a.O., S. 368, der sie für möglich hält und den Gruppen hierbei die Rolle einer Schranke gegenüber dem allmächtigen Leviathan zuerkennt. — Der Gegensatz, den beispielsweise Shell, a.a.O., S. 307, zwischen Pluralismus und Gemeinwohlartikulation durch den Staat sieht, ist nur vom Boden der Selbstregulierungsthese aus vertretbar.

77 Er findet sich z.B. bei Denninger, a.a.O., S. 31 f.; Krämer-Müller, Ordnungsbehördengesetz NW, 2. Aufl., Köln 1971, § 1 RdZiff. 12.

78 Zum Mehrheitsprinzip und zum Minderheitenschutz im parlamentarischen Raum Achterberg, Grundzüge des Parlamentsrechts, München 1971, S. 72, 44 f. — Die Verankerung des Minderheitenrechts nicht in der Demokratie, sondern in der Rechtsstaatlichkeit nehmen zutreffend auch Denninger, a.a.O., S. 31; H. H. Klein, DVBl. 71, 239 vor; zu seiner Bedeutung nur für Verfahrens-, nicht aber für Sachentscheidungen auch Schäfer, Der Bundestag, Köln - Opladen 1967, S. 74, 80 f.

Anmerkungen

Von kleineren Anpassungen und Ergänzungen abgesehen, stammt die gesamte Seite aus der Quelle, die allerdings nur in FN 163 referenziert und dort allein als Quellenangabe für die Ausführungen innerhalb der Fußnote zu verstehen ist. Die teils wörtlichen Übernahmen in der Fußnote sind selbst ebenfalls nicht ausreichend gekennzeichnet. Die Übernahme wird fortgesetzt auf der Folgeseite: Fws/Fragment_153_01.

Sichter
(Hindemith) KayH



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