Ehrlich gesagt halte ich die Aufnahme der Steinmeier-Arbeit für einen Fehler. Die Arbeit unterscheidet sich von anderen Fällen we Guttenberg doch immens, weil Verschleierungen ebenso wie Komplett-Plagiate nahezu fehlen. Die Quellen sind (fast) immer angegeben, wenn es dabei auch zu einer schlechten Zitierweise gekommen ist.
Es bleiben also die Baueropfer: a) das Fehlen der Kenntlichmachung wörtlicher Zitate als solcher und b) z.T. das Fehlen hinreichender Kenntlichmachung des Umfangs des Quellenbezugs, weil Fußnoten so gesetzt sind, dass nicht klar wird, auf welchen Teil des Textes sie sich beziehen.
Für eine juristische Dissertation halte ich die unter a) benannten Fehler per se für zu vernachlässigen. Denn Juristischendeutsch hat in den Formulierungen kaum eine solche "Schaffenshöhe", dass es ein Gebot der Fairness wäre, hier stets zu paraphrasieren. Vieles lässt sich auch nicht oder nur unzureichend paraphrasieren, da zahlreiche Fachtermini nicht austauschbar sind. Paraphrasen im Juristischen zu finden wird dann zum Drahtseilakt, wenn man sich bemüht, bestimmte Worte bzw. auch Abfolgen von Worten zu vermeiden. Mal davon abgesehen ist die Paraphrase bzw. das Setzen in indirekte Rede oder Anführungszeichen auch nicht sonderlich verbreitet. Selbst Richter in ihren Urteilen geben andere, meist höhere Gerichte seitenweise wörtlich wieder, ohne dabei Anführungszeichen zu setzen. Ähnlich gehen viele Kommentare vor, wenn sie etwa Rechtsprechung auswerten. Dass man bei dieser verbreiteten Handhabung nun von Doktoranden verlangt, alles anders zu machen, ist verfehlt.
Es bleiben die Fehler nach b), die wohl wirklich auch nach den Maßstäben der Juristen zumindest nahe am Plagiat sind. Hier möchte ich mir aber kein Urteil erlauben, ob Steinmeier wirklich eine Täuschungsabsicht hatte. Jedenfalls ist es wiederum nicht unüblich, darauf zu verzichten, an jeden Satz eine Fußnote zu setzen, der sich auf die jeweilige Quelle bezieht. Ich möchte allenfalls sagen, dass Steinmeier hier etwas unsorgfältig gearbeitet hat.
Ich denke, man sollte sich wirklich auf die schlimmen Fälle konzentrieren a la Guttenberg, statt nun in Fällen wie Steninmeier Haare zu spalten.